Begleiten Sie mich auf einem Spaziergang durch meinen Geburtsort.
Die ersten Zeugnisse für das Vorhandensein einer Siedlung im Stadtgebiet Kevelaers gehen bis in die ältere Eisenzeit zurück (etwa 800 v. Chr.). Sedimente einer vorzeitlichen Brunnenanlage sowie Urnenfunde deuten darauf hin. Eine erste schriftliche Nachricht über die Bewohner dieses Raums gibt der römische Feldherr Julius Caesar in seiner Beschreibung des gallischen Krieges (58–51 v. Chr.). Er nennt sie Menapier (Volksstamm im belgischen Gallien, der sich von der Nordsee bis an den Rhein ansiedelte). Die Gründung des Ortes erfolgte in der Merowingerzeit, wie Reste von Grabfunden belegen, die in den 1960 Jahren gefunden wurden. Sie stammen aus dem mittleren Drittel des 6. Jahrhunderts. Ca. 450 m westlich davon wurden nahe der heutigen Antonius-Kirche bei Ausgrabungen Scherben des 9. Jahrhunderts gefunden, die die Lage der ersten Siedlung anzeigen.
Urkundlich wird Kevelaer erstmals am 10. Mai 1300 erwähnt. Bei dieser Urkunde handelt es sich um eine Verkaufsurkunde über einen Bauernhof. Zu dieser Zeit besteht Kevelaer aus Bauernhöfen und Katen und befindet sich zu großen Teilen im Besitz des Stiftes Xanten und des Klosters Grafenthal. Die Bauernschaften Kevelaer und Wetten bildeten einen Gerichtsbezirk und gehörten im Spätmittelalter zum Niederamt Geldern der Grafschaft Geldern. Am 19. März 1339 wurde die Grafschaft zum Herzogtum erhoben. Die heutigen Gemeinden Kervenheim und Winnekendonk gehörten zu diesem Zeitpunkt dem Herzogtum Kleve an.
Starten wir unseren Rundgang am Kapellenplatz.
Trösterin der Betrübten - Consolatrix afflictorum, links die Kerzenkapelle (St. Michael)
Im Hintergrund das Priesterhaus, das älteste Backsteinbauwerk der Stadt
Rechts die Kerzenkapelle mit Rütter-Orgel
Neben der Gnadenkapelle sind am Kapellenplatz die Kerzenkapelle (die älteste Wallfahrtskirche), die Basilika, die Pax-Christi-Kapelle, die Sakramentskappelle und die Beichtkappelle angesiedelt. Ein weiteres, den Kapellenplatz dominierendes Gebäude, ist das Priesterhaus, das älteste profane Backsteinbauwerk in Kevelaer.
In unmittelbarer Nähe ist auch die orthodoxe Johanneskapelle.
Die Rütter-Orgel
Die ersten umfangreicheren Belege über einen Orgelbau am Kevelaerer Kapellenplatz finden sich im Zusammenhang mit dem von Wilhelm Rütter in den 1840er Jahren in der Kerzenkapelle erbauten Werk. Rütter baute dieses Instrument unter Verwendung eines vorhandenen Gehäuses und zahlreicher noch vorhandener Pfeifen. Welche Orgel hier zum Neubau des Rütter'schen Instrumentes diente, läßt sich leider nicht mehr feststellen. Unter Berücksichtigung der oben genannten Eintragung in der Chronik der Oratorianer läßt sich jedoch vermuten, daß bereits recht früh eine Orgel in der heutigen Kerzenkapelle zur Verfügung stand. Daß Rütter sich mit dem Bau der Orgel in der Kerzenkapelle bereits für den lukrativen Orgel-Neubau in der Basilika bewerben wollte, also quasi ein "Probestück" ablieferte, ist eine oft geäußerte, aber kaum schlüssige Vermutung. Als der Münsteraner Bischof Johann Georg Müller bei seinem ersten Pontifikalamt in Kevelaer die räumlichen Gegebenheiten in der Kerzenkapelle erlebte und daraufhin den Neubau einer großen Wallfahrtskirche anregte, schrieb man bereits das Jahr 1848. Rütters Orgel-Neubau in der Kerzenkapelle aber war schon fünf Jahre zuvor abgeschlossen, zu einer Zeit also, als vom Neubau einer Kirche offiziell noch keine Rede war.
Das vorhandene Orgelgehäuse wurde von Rütter um ein eigenständiges Pedalwerk erweitert. Aus Gutachten der Zeit, die den Farbenreichtum und die Klangpracht des Instrumentes sowie die große Sorgfalt und Kunstfertigkeit der Materialverarbeitung loben, ist lediglich die Zahl der Register (28 auf zwei Manualen und Pedal) bekannt, nicht jedoch die genaue Disposition. Bereits 1845 waren offenbar geringfügige Änderungen in der Dispo-sition sowie der Bau einer Schwellvorrichtung für das Untergehäuse geplant, die aber nie ausgeführt worden sind.
Nachdem auch die Orgel der Kerzenkapelle nicht von den Wirren der beiden Weltkriege verschont geblieben war, wurde 1962 unter der Leitung von Prof. Rudolf Reuter ein Konzept für eine Orgelumgestaltung erarbeitet, daß die klangaesthetischen und bautechnischen Grundsätze Rütters jedoch völlig unbeachtet ließ. Reuter ersetzte in seiner "neobarocken" Klangkonzeption das Unterwerk im Untergehäuse der alten Orgel durch ein klingendes Rückpositiv, welches hinter der Fassade des Rütter'schen Scheinpositivs plaziert wurde. Eine Kunststofftraktur und Registertrakturführungen, bei denen Errungenschaften der Flugtechnik (Flex-Ball) zum Einsatz kamen, waren Bestandteile dieser völlig neuen Orgel.
So verschwand ein Denkmal der Rütter'schen Orgelbaukunst, seiner romantischen Klangaesthetik, im Übereifer radikaler Neuerungsbestrebungen innerhalb der Orgelbewegung. Daran änderte übrigens auch der vehemente Protest des Orgelbaumeisters Ernst Seifert, der seinerzeit die alte Orgel eigenhändig abtragen mußte und somit über die Einzelheiten bestens informiert war, nichts. Die im Jahre 1962 von der Kevelaerer Firma Romanus Seifert & Sohn erbaute Orgel hatte 20 klingende Register, verteilt auf Hauptwerk, Rückpositiv und Pedal. Dabei befand sich zum Beispiel die Pedallade auf der Höhe des Hauptwerkes (ehemals Oberwerk). Da diese aber unter anderem eine Posaune 16' mit Zinnbechern in voller Länge besaß, ragten die längsten Pfeifen dieses Registers weit über den Prospekt hinaus, so daß auch der optische Eindruck entstellt war. Holzlatten hielten das Obergehäuse zusammen, das Gehäuse des Rückpositivs war recht primitiv und der Spieltisch war dem Trend der Zeit entsprechend sehr nüchtern gehalten.
Spätestens in den achtziger Jahren machten sich die unliebsamen Errungenschaften des Reuter'schen Konzeptes, dem die Kevelaerer Orgelbauer seinerzeit nur ungern gefolgt waren, negativ bemerkbar. Die engmensurierten Pfeifen waren im besonderen Maße ver-schmutzt, die Mechanik war schwergängig und kaum noch zu traktieren. In den Jahren 1986/87 bot die grundlegende Renovierung der Kerzenkapelle die Möglichkeit, auch die Orgel gründlich zu reinigen und zu reparieren. In Zusammenarbeit mit der Orgelbaufirma Seifert und den zuständigen Gremien der Pfarrgemeinde hatte jedoch inzwischen der derzeitige Organist an St. Marien und Custor der Orgeln am Kapellenplatz, Wolfgang Seifen, ein Konzept erstellt, das eine völlige Umgestaltung der Orgel im Sinne der Rütter'schen Konzeption vorsah. Es begann eine umfangreiche "Spurensuche" nach den Grundsätzen Rütter'scher Orgeltradition, an deren Ende eine Rekonstruktion im Sinne des Kevelaerer Orgelbaumeisters stand. Als Grundlage dieser Rekonstruktion dienten zahlreiche noch vorhandene Werke Rütters, nach denen Seifen die klanglichen Fakten (Mensuration und Disposition) erarbeitete. Ein noch vorhandenes Teil des alten Orgelgehäuses reichte den Mitarbeitern der Firma Seifert, um die Konstruktion für den Neubau zu errechnen. So entstand die Ordnung von Ober- und Unterwerk mit Scheinrückpositiv in seitenspieliger Anlage nach dem Rütter'schen Vorbild. Die nunmehr 24 klingenden Register wurden sinngemäß in die einzelnen Gehäuseabschnitte verteilt und das ergänzte Pedalwerk in einem neuen Gehäuse hinter der alten Prospektfront auf ebener Erde plaziert, so daß die Rütter'sche Optik wieder hergestellt war. Das Unterwerk wurde mit einer Schwellvorrichtung versehen und ist somit als Echo- und Positivwerk einsetzbar. Durch die seitenspielige Anlage wurde das Hauptgehäuse wieder nahe an die Brüstung gerückt.
Alle Zungenstimmen (außer Pedal) der Orgel sind in Baß- und Diskantlage geteilt, auch die geteilte Manualkoppel (Baß und Diskant) fehlt nicht. Die Disposition lehnt sich in der Hauptsache an noch existierende Werke Rütters an. Sie weist einen romantisierenden Charakter auf. In Abweichung der Rütter'schen Vorlage wurden die Manual- und Pedalumfänge im Hinblick auf die zu bewältigende Literatur erweitert (Manual: C - g'''; Pedal: C - f'). Die klanglichen Ergänzungen ergeben sich aus der Rütterschen Anlehnung an den französischen Orgelbau des 19. Jahrhunderts und stellen eine Bereicherung des Klang-Konzeptes dar. Acht Register der ehemaligen Seifert-Orgel fanden so mehr oder weniger verändert eine erneute Verwendung.
Quelle: Dr. Rainer Killich, Die Orgeln am Kapellenplatz
Priesterhaus, hier hatte schon Helmut Kohl Quartier bezogen
Pastor's Höffke
Innenhof der Marienbasilika, rechts die Beichkapelle und hinten im Bild die Sakramentskapelle
In der Amsterdamer Straße besuchen wir die Orthodoxe Johanneskapelle
Johanneskapelle
Wenden wir uns wieder der Marienbasilika und dem Kapellenplatz zu
Ein Seitentor der Marienbasilika mit der Darstellung von Johannes-Paul II, der Kevelaer besuchte
Beichtkapelle
hinter der Basilika
Nun kommen wir zur Hauptstraße
Typische Giebel in der Hauptstraße
Am anderen Ende der Hauptstr. kommen wir zum Kevelaerer Kaffeehaus
und zur St. Antonius Pfarrkirche
Über den Marktplatz erreichen wir das alte Rathaus der Stadt
und in der Busmannstraße die Statue des fahrenden Hausierers Hendrick Busmann
An der Kroatenstraße gelangen wir zum Kroatenkreuz
Das Heidedorf in Not
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war Kevelaer noch ein kleines Heidedorf im Herzogtum Geldern, nahe der niederländischen Grenze. Es bestand aus einigen Häusern um eine Kapelle, die Antonius "dem Großen" geweiht war.
Der 80-jährige Spanisch-Niederländische-Krieg (1568 - 1648) bedeutete für die arme, wehrlose Bevölkerung des Gelderlandes eine wahre Leidenszeit, die sich noch verschlimmerte, als Deutschland von der furchtbaren Geißel des Dreißigjährigen Krieges gepeitscht wurde.
Der unheilvolle Religionszwist hatte die deutschen Stämme geteilt. Bruder stand gegen Bruder. Fremde Söldner, die nicht gerufen waren, verwüsteten das Land und mordeten seine Bevölkerung.
Die Bewohner Kevelaers mussten furchtbar leiden. Das Dorf wurde mehrmals geplündert und niedergebrannt. Um sich sich vor den umherstreifenden Soldatentruppen zu schützen, bauten die Kevelaerer eine Schanze westlich des Dorfes, an der danach benannten Kroatenstraße.
Man schrieb den 1. August 1635. Ein Regiment Kroaten zog von Geldern nach Kleve . Der Weg führte durch Kevelaer. Zwar standen die Kroaten im Dienste des Kaisers, waren also keine Feinde, doch die Einwohner Kevelaers wussten, was sie von solchen Freunden zu erwarten hatten. Sie zogen sich in ihre versteckte Schanze zurück. Als sich plötzlich aus unbekannten Gründen ein Schuss aus dem Versteck löste, waren die fast wehrlosen Menschen entdeckt. Sie konnten dem Angriff der Bewaffneten nicht widerstehen. Mit beispielloser Grausamkeit wurden sämtliche Schanzenbewohner getötet und die Frauen und Mädchen abscheulich misshandelt.
Zur Erinnerung an dieses schreckliche Blutbad wurde an der Kroatenstraße ein Steinkreuz errichtet mit holländischer Inschrift. Sie lautet in deutscher Sprache:
"Im Jahre 1635, dem Datum nach der 1. August wurden auf dieser Schanze an die 100 Menschen ermordet. Bittet für ihre Seelen, auf dass Gott ihnen in der Ewigkeit gnädig sein möge."
Hiermit hatte das Elend in Kevelaer seinen Höhenpunkt erreicht. Fast alle Menschen waren getötet, und das Dorf war eine ausgestreckte Ruine.
Ev. Jesus-Christus-Kirche in der Brunnenstraße - hier verbrachte ich meine Kindheit und Jugend
In der Hubertusstraße meine ehemalige Grundschule, die Hubertus-Volksschule
Das St. Elisabeth-Stift in der Friedenstraße
Das Klarissenkloster am St.-Klara-Platz
mit dem Kevelaerer Bahnhof
und den Läufern, die wohl noch den Zug erreichen wollen
Lebensgroße Figuren
Händler mit Miniaturen
Nov. 2022 - letzte Bearbeitung: 27.11.2022